Endy Hupperich

Endy Hupperich

Über Endy HupperichBiografie

Remix, Regroup, Resample: The Iconic Turntable

 

Seit den frühen Neunziger Jahren ist im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften viel und gerne vom „iconic turn“ – zwischenzeitlich auch (eigentlich schöner) „pictorial turn“ genannt – die Rede. Gemeint ist damit (in sprachlicher Analogie, aber inhaltlicher Entgegensetzung zum kurz zuvor philosophisch postulierten „linguistic turn“) die Überzeugung, dass unsere Erkenntnis von Welt, ja, dass das menschliche Denken nicht zwangsläufig sprachlich verfasst ist, sondern sich  mindestens so sehr, und mehr als je vermutet, auch in Bildern vollzieht. (Die negative Kehrseite der ikonischen Wende sind die kulturpessimistischen Warnungen vor einer quasi apokalyptischen Bilderflut, einem Malstrom von Bildern, Zeichen, Logos usw., in dem alle Hoffnungen auf Wahrheit, Eindeutigkeit, und Lesbarkeit  tragisch zuschaden gehen...)

Bilder als souveräne, autonome, eigenwertige Daseinsformen, die nicht erst sprachlich erschlossen und übersetzt werden müssen und die auch nicht lediglich als Indikatoren oder Symbole für andere Inhalte fungieren: wer sich mit der Entwicklung der bildenden Kunst seit dem Beginn der Moderne beschäftigt hat, dem ist diese Sichtweise keine neue, sondern eine elementare Grundlage dieser Entwicklung selber. (Entsprechend gelassen bis gelangweilt konnte die zeitgenössische Kunst auf  derlei „Erkenntnisschübe“ ihrer Beobachter reagieren...). Endy Hupperichs Arbeiten reflektieren klug und vielschichtig derlei Gedanken und eine Erkenntnis in Bildern, im heutigen Zustand einer Welt aus Bildern. Was auf den allerersten Blick noch

An Pop-Art oder an postmodernen Zitatismus erinnern mag, ist möglicherweise vielmehr gemalte

Medientheorie, oder sogar -ontologie: eine Vermessung der Welt, eine Vermessung des Raumes,

den die Bilder aufspannen, also auch jenes viel zu selten beachteten Raumes zwischen den konkreten Bildern. Folglich spielt bei Hupperich das traditionelle, einzeln gedachte und gemachte, für sich alleine gültige Tafelbild eine immer geringere Rolle, während ein Moment der (wenn man so will) Interpikturalität

also des gegenseitigen Verweisens verschiedener Bilder aufeinander und auf einen impliziten Gesamtzusammenhang, zunehmend wichtiger wird. So tauchen Motive und Versatzstücke, sämtlich aus der empirischen Bildwirklichkeit, die Hupperich (als einen von uns, unter uns, mit uns) umgibt, wie wissenschaftliche Proben entnommen, in immer wieder neuen Kontexten und (Versuchs-) Anordnungen auf, jedoch nicht als durchgehende Gemeinsamkeiten, sondern im Sinne eines Netzes von vielen verschiedenen, sich überkreuzenden und schneidenden, auf- und abtauchenden Ähnlichkeiten (es ist schließlich Aufgabe des Betrachters, diese Ähnlichkeiten in der Zusammenschau – Theoreia – als ein Ganzes zu rekonstruieren). 

Nicht nur die konventionellen Grenzen des Einzelbildes, auch jene der Genres, Medien und Techniken verschwimmen hier: „klassische“ Malerei, Zeichnung, Sprayarbeit und Schablone, Collage und einzeln präsentierte objets trouvés, Wandmalerei, unterschiedlich vergrößerte und gerasterte Fotokopien, Rahmen und Passepartouts, Flachware und skulpturale Elemente kommunizieren, kontrastieren, kollidieren und kommentieren sich ebenso angeregt wie die fortwährend migrierenden und transmutierenden, de- und rekontextualisierten Versatzstücke, welche sie jeweils präsentieren. In Hupperichs Installationen der letzten Jahre treten alle diese Tendenzen/Strategien paradigmatisch zu Tage – und in diesen wird auch deutlich, wie sehr und ernsthaft es Hupperich tatsächlich um die Reflektion über Bilder („Hauptakteure auf dem Schauplatz der Erkenntnis“ – Sigrid Weigel) zu tun ist, und nicht nur um Malerei. Paradoxerweise wird aber gerade beim Betrachten dieser mischmedialen, nicht-hierarchischen und wildwuchernden Ikonotope auch deutlich, was für ein erstaunlich virtuoser und vielseitiger Maler dieser Endy Hupperich doch ist.

Peter T. Lenhart, 2008.