Robin Zöffzig

Robin Zöffzig

Über Robin Zöffzig Biografie

Die Frau im Kultstatus.

Der erste Eindruck ähnelt dem plakatierten Foyer eines Soft-Porno-Verleihs; erotische Träume aus Lack und Latex, viel nackte Haut und wenig Tabus.

Die bildgewordenen Maskeraden, Varieténummern und Dominaspiele ähneln der bunten Spielzeugwelt von computer games. Es gibt wenig Natürliches, stattdessen so lustvoll wie maßlos überhöhte Idealisierung an der Grenze zur Groteske, eine Körperlichkeit in einem Spektrum von Lara Croft bis Barbie, bevor sie Ken haben musste.

Die Milieuköniginnen und androgynen Schönheiten, auf jung getrimmt und über die Altersgrenze geschmuggelt, könnten aus der Burleske aufgesammelt sein; tragikomische Figuren, die ihre Wirkung übertreiben. Vielleicht stehen ihre Vorbilder aber auch vor den Clubs und Kaufhallen dieser Stadt oder stammen von Probebohrungen in die Unterwelt.

Es sind Solisten oder archaische und klassische Konstellationen von Zweier- bis Vierergruppen, die in neue, erotisierende oder dominanzbestimmte Kontexte gesetzt sind. Frauen zwischen Lustobjekt und göttlich verehrtem Wesen oder Subjekte im

Selbstoptimierungs-Wettkampf, alle infiziert von der dunklen Anarchie der Gier nach Schönheit, Aufmerksamkeit und Lust.

 

Doch das ist nur die Verpackung.

Jetzt muss man das Paket aufreißen.

 

Malen ist wie Komponieren, sagt Zöffzig, das heißt, viel nachdenken und vieles vorausfühlen, eine genaue Vorstellung haben vom avisierten Klang und ihm Takt und Rhythmus zumessen. Erst, wenn die Partitur gespielt wird, erweist sich, ob der Klang zutrifft. Zöffzigs Bilder sind laut, bisweilen schrill und wechseln schnell von süßen zu irritierend dissonanten Klängen. Die Kompositionen sind teils klassisch, teils unkonventionell.

 

Zöffzig kultiviert einen „ironischen Sexismus“, dafür braucht er diffizile Charaktere für seine Figuren,  überlegen, durchtrieben, berechnend und sensibel für die eigenen und die Schwächen der anderen.

Der Maler baut sie auf und gibt ihnen, was sie brauchen: Kopf, Rumpf, Bauch, Becken und Backen, danach die Gliedmaßen, wie bei einem Modulsystem für Steckpuppen. Ebenso ist ihr Urzustand: nackt. Je nach Typisierung werden sie danach angezogen, mehr oder weniger, in letzter Zeit etwas mehr – der aktuellen Tendenz zur Prüderie folgend.

Jede malerische Formulierung in Kleidung, Haltung, Schminke und Konstellation kennt einen Diskurs. Vom Machbarkeitswahn der Körperoptimierung bis zum Rollenspiel im Geschlechterkampf und die Körpersprache wird zur eingeübten Machtgeste.

 

Die Farben, grell und oft mit Leuchtreflexen versehen, evozieren teils eine fröhlich-künstliche Plastikwelt, die die glänzenden Körper gleich mit vereinnahmt, zum anderen benennt das leitmotivische Schwarz die dunklen Seite des Glücksstrebens und den Ernst des Themas.

Rätsel, Rituale und Rivalitäten formt Zöffzig aus Körper und Farbe. Er hat sich eingeschworen auf das Spiel mit Entblößung und Entrüstung. Für ihn sind die medialen Shit-Stürme Impuls, Stoff und Rückenwind, ist die eingeforderte Verzerrung von Persönlichkeit in den sozialen Medien kein Ärgernis sondern Steilvorlage.  Der Superlativ des infiltrierten Körperkults, der sich in seiner Penetranz dem Tatbestand des Freiheitsentzugs nähert, ist auch Zöffzigs – sarkastisch interpretiertes - Thema.

 

Daneben ist es normal, dass Frauen Führungskräfte sind und andererseits dicke Mädchen bauchfrei ihre Lehrer verführen. Aber was macht das aus ihnen, was machen sie aus sich, diese Frauen und Mädchen, die besser sind als die anderen – in welcher Hinsicht und in wessen Projektion?

 

„Candy FlipFlop Land“ zeigt die einen; die kleinen Königinnen im erotischen Sinnenrauschland – verbildlicht in einer synthetischen Welt aus Hochglanz-Material

mit Gummibärchen, mannsgroßen Lutschern, blauem Eis am Stiel und Früchten in Genitalform. Dort winden sich zwei Prachtexemplare, gehörnt und mit aufgebundenen Scheuklappen und wie zur Selbstkontrolle in Selfie-Pose, zugerichtet für die Konkurrenz auf dem Weltmarkt von Social Media.

Die Antagonistin in „Surprise“ steht drei Figuren gegenüber: eine inszenierte Prüfungssituation: die Kluge hat die Lösung hinter ihrem Rücken verborgen: die Weisheit in Symbol einer Stoff-Schildkröte. Doch den drei Prüflingen, betrunken, eitel und selbstgefällig, ist sie kaum erreichbar - und vor allem ist sie ihnen offenbar egal.

 

Eine formelhafte Bestandsaufnahme liest man in „(AT:) Gräfin“.  Zöffzig wählt die Cosel als Modell und steckt sie in ein Gräfin-Faschingskleid aus dem Kostümfundus. Anna Constantia war ein schönes Mädchen der Barockzeit, gefährlich gebildet und trainiert, temperamentvoll und eigensinnig, ein Pfeife rauchendes Flintenweib mit einem unehelichen Kind und einer Kurzzeitehe. Die nächste – mit Herzog Carl August – war knallhart ausgehandelt und statusoptimierend berechnet.

Intelligenz und Intrigen machten sie lange unangreifbar. Doch dass sie politisch weitsichtiger und klüger war als ihr Mann, wurde zum Fallstrick und sie erlag schlicht seiner absoluten Machtwillkür. Was für eine Parabel von der Ohnmacht.

Das Motiv des Steckenpferds – als Spielzeug, das Nachäffen von irgendwas, das Attribut alberner, bestenfalls noch ungestümer Menschen - offenbart die bloße Simulation ihrer Geltung.

 

In die Gegenwart übersetzt ist der „Angel of Plagwitz“ ein modernes Königinporträt im Sinne von Zöffzigs ironischem Sexismus: herausfordernd deutlich und in versteckten Anspielungen hält sie die Insignien der Macht in den Händen.

Das ordinär sinnliche Element knüpft einerseits wieder am Barock an mit seinen derben Sinnenfreuden und Übersteigerungen in Politik, Architektur und Lebensstil.  Die Mode wollte ausladende Spitzenkragen statt Halskrausen, statt engen Hosen mit Schamkapsel die weiten Kniehosen und statt der hochgeschlossenen Oberteile die tiefen Dekolletés.

Selbst der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz pries in seiner Schrift „Von der Weisheit“ die sinnliche Wahrnehmung der Schönheit als „gefühlte Wahrheit“.

Unter anderen Vorzeichen feiert die ausladende barocke Sinnlichkeit eine Neuauflage in den Roaring Twenties.

Die erotische Freizügigkeit in den Bars und Ballhäusern, in den Stummfilmen und in der skandalös provozierenden Damenmode mit der Zigarettenspitze und dem maskulinen Bubikopf spiegelt sich in der Kunst und einer Malerei, die kaum Scham kannte und sogar die Prostituierte gesellschaftsfähig machte, etwa bei Max Beckmann, Otto Dix und George Grosz.

Diese Hemmungslosigkeit / Ungeniertheit setzen zwei Generationen danach Immendorf und Kippenberger fort, in Geste und Ambition der Malerei, Zöffzig übernimmt sie mit seinem Grad an Direktheit in die jüngste Generation.

Das Gen der wilden und goldenen Zwanziger in Zöffzigs Werk entwickelt sich jedoch auch in einer anderen Richtung weiter.

Die Dekadenz der 20er, der Tanz auf dem Vulkan, der Sinnenrausch vor der längst geahnten Katastrophe, die Ablenkungsmanöver der Entertainmentindustrie und ihre köstlichen Henkersmahlzeiten mit den endlosen allerletzten Absackerdrinks, die die Morgendämmerung ausblenden, schwingt in Zöffzigs Werken in die Gegenwart herüber - und kühlt die heiße Erotik ernüchternd weit runter und ruft auf der Rückseite des Hedonismus diffus geglaubte, reale Ängste herauf.

 

Die gezielte thematische und stilistische Übertreibung bis zum Umbruch, zum Zusammenbruch und Neudenken, ist Zöffzigs wirksames Gestaltungselement und sichert seinem Werk einen Realitätssinn, der sich nicht nur auf Sexismus projizieren lässt.

Man könnte das alles auch ohne Bubble Gum und Barbiebusen erzählen – aber wer hört da noch hin? Und ehrlich: wäre es dann so spektakulär anzusehen?

 

© Tina Simon

 

 

geboren 1984 in Magdeburg

seit 2012 freiberuflich als Maler und Graphiker

 

02/2015 Abgeschlossenes Meisterschülerstudium

02/2013-02/2015 Meisterschülerstudium bei Prof. Rainer Schade,               Burg Giebichenstein, Kunsthochschule Halle

01/2012-01/2013 Weiterbildung für Existenzgründer in der Kultur- und Kreativwirtschaft, Hoffmann & Partner

01/2012 Diplom Malerei (Note: 1.4)

10/2006-01/2012 Diplomstudium Malerei bei Prof. Ute Pleuger, Burg Giebichenstein, Kunsthochschule Halle

01/2010-06/2010 Auslandsstudium bei Prof. Jiau Li Huy, Fachklasse für traditionelle chinesische Tusche    und Seidenmalerei, Academy of fine Arts, Tianjin, China

09/2005–09/2006 Fachabitur in Gestaltung, BbSIII »J.C.v. Dreyhaupt« Fachoberschule Gestaltung Halle

10/2004-08/2005 Ausbildung in Kommunikationsdesign und Produktdesign, Fachschule für Gestaltung Leipzig

Stipendien & Preise

2017      Artist in Residence Pilotenküche

06/2014 Kunststiftung der Sparkasse »aquamediale« Wettbewerbs zur Gestaltung einer Hausfassade in Lübben/Spreewald

2013, 2014           Einladung durch die »aquamediale« zur künstlerischen Intervention im Naturraum Spreewald, Lübben/Spreewald

03/2013-05/2013 Artist in Residence, sy1905, Re-Creativ   Space, Shenyang, China             

02/2008 Einladung durch »ELIA-The European League of Institutes of the Arts« zur Gestaltung eines Hotelzimmers des Hotels BLOOM!, Brüssel, Belgien

2006      Publikumspreis und zweiter Platz des »Die HO Kunstpreis«, HO Galerie, Magdeburg